Sind Re-Editions im Möbeldesign zeitgemäss?

Yves von Ballmoos

In Zeiten der Unsicherheit halten sich viele (Design-)Möbelhersteller an altbewährte Rezepte und legen ehemalige Kassenschlager (Klassiker) neu auf. Wohl boomt der Möbelhandel in Europa aufgrund der Corona-Pandemie, doch sind die Zeiten alles andere als sicher. Eine kritische Betrachtung der Re-Editionen ist daher angesagt.

Wir sind jüngst auf eine Trendanalyse des weltweiten Retail-Trendscout «Trendhunter» gestossen, in welcher die «Japandi Expansion» thematisiert wurde. Auch die BBC griff das Thema unlängst auf[1]. Im Kern geht es um die Verschmelzung (Hybridization) von japanischem und skandinavischem Möbeldesign. Die Einschätzung, dass diese zwei minimalistischen Stilrichtungen in deren gegenseitigen Vereinnahmung in neuem Design erfolgsversprechend ist, liegt auf der Hand. Skandinavisches Design ist weltweit nach wie vor der prägendste Stil, im oberen wie auch im tieferen, volumenstarken Segment. Japandi als Stilrichtung ist hingegen nicht neu. Bereits die grossen dänischen Designer der Nachkriegszeit wie Børge Mogensen, Hans Hopfer, Arne Jacobsen oder Finn Juhl haben sich intensiv mit japanischem Design auseinandergesetzt und dies in ihre Entwürfe einfliessen lassen[2]. Beste Beispiele hierfür sind das «Japan-Sofa» von Finn Juhl oder die ganze PK22 Serie von Poul Kjærholms für Fritz Hansen[3].                                                                

Die Vermarktung solch hybrider Produkte, gerade in Verbindung mit Neuauflagen, sind ein gutes Geschäft, nicht nur mit dänischem Design, sondern generell mit Klassikern. Es stellt sich nun die Frage, ob denn solche Re-Editions in Anbetracht sich verändernder Megatrends nicht zeitgemässer neu aufgelegt werden sollten. Am Design selbst darf wenig bis nichts verändert werden. Doch könnte ein bereits in den 50er Jahren mit eingebrachter Wert zeitgemäss umgesetzt werden: die Nachhaltigkeit! Gerade die Produkte der genannten dänischen Designer waren und sind von höchster Qualität und Langlebigkeit. Die Federstahlgestelle des PK22 sind äusserst robust und beständig, ohne dass sie gepflegt werden müssten. Vor 70 Jahren sprach man von guter Qualität, heute wäre eher Circular Economy oder Cradle-to-Cradle der Ansatz.

Abbildung 1:  PK22 Serie, Poul Kjærholms für Fritz Hansen (1956)

Abbildung 2: Japan Sofa, Design: Finn Juhl (1957)

Gerade bei Entwürfen, bei welchen die Designer noch leben oder die Nachkommen dies erlauben, müssten sich Material- und allenfalls auch Entwurfsanpassungen (meist v.a. bei den Verbindungen) vornehmen lassen, die eine Rückführung der Produkte in den Kreislauf erlaubt. Optionen hierfür gibt es zu genüge: recycelte Naturfasertextilien, FSC zertifiziertes Holz oder recycelten Schaumstoff (beispielsweise aus alten Matratzen[4]). Progressive Designer und Architekten der 50er und 60er Jahre, wie beispielsweise der Italiener Gio Ponti, hätten bestimmt ihre Freude daran, würden Sie es noch erleben. Warum gilt das Bonmots «Stillstand ist Rückschritt» nicht bei Klassikern? Zudem täten die Hersteller von Re-Editionen gut daran, Ersatzteile den Konsumenten direkt zugänglich zu machen (nicht umständlich und teuer über den Fachhandel) um damit die Lebenszeit ihrer (Re-)Editionen zu verlängern.

Abbildung 3: Sessel D.153.1, Design Gio Ponti 1953,
Re-Edition von Molteni

Klassiker und deren Neuauflagen besitzen einen entscheidenden Mehrwert, welcher sich gerade über die nachhaltige Weiterentwicklung erhöhen lässt: Sie sind in Bezug auf Qualität und Design äusserst langlebig und vielseitig einsetzbar. Circular Economy lebt nicht nur von der Rückführung von Produkten in den Kreislauf, sondern auch von der Nachfrage der Konsumenten an diese.

Auch wenn Business Model Innovation für kleinere Designmöbel-Händler nicht zuoberst auf der Prioritätenliste steht (was eine vertane Chance ist), so würden sich gerade in diesem Konzept neue Miet- und Servicemodelle oder Rückkaufangebote anbieten. Was bietet sich hierfür besser an als Klassiker?

Abbildung 4: Die Phasen des Kreislaufes, Pusch, Make Furniture Circular 2021

 

[1] www.bbc.com/future/article/20191018-the-rise-of-japandi-style
[2] vgl. www.fredericia.com/designerdetails/by-designer-børge-mogensen.aspx?PID=65
[3] www.archetypen.ch/media/Datenblatt-pk22.pdf
[4] www.make-furniture-circular.ch/matratzen/recycling

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