Hauptsache billig oder doch lieber nachhaltig?

Yves von Ballmoos

Hauptsache billig oder doch lieber nachhaltig?

Ist die Nachhaltigkeit heute im Möbelhandel bereits ein entscheidendes Argument oder doch eher eine Nische für einen sehr eingeschränkten Kundenkreis? Die Medienpräsenz rund um das Thema wächst zweifelsohne und macht es in jeglicher Hinsicht bei Konsumenten top-of-mind. Doch kaufen diese Kunden auch entsprechend ein? Ändert sich ihr Verhalten oder geht letztlich dann der Preis doch dem guten Gewissen vor? Genügen Zertifikate wie FSC, ECO, Blauer Engel, etc. um diese Kundschaft anzusprechen?

Gepusht wird die Nachhaltigkeit im Einrichtungsbereich derzeit noch deutlich stärker online durch ‚Pure-Player‘ (reine Onlineshops), die sich einzig auf den Verkauf nachhaltig produzierter Möbel spezialisiert haben. Deren Marktanteil ist klein, jedoch wachsend. Diesen ‚Pure-Playern‘ stehen vor allem die grossen Möbelhausketten gegenüber, die langsam, aber stetig der Nachhaltigkeit mehr Platz in ihrem Sortiment einräumen.

Wie wichtig die Nachhaltigkeit als Argument im Kaufentscheid bei Wohneinrichtungen wirklich ist, lässt sich schon recht gut abschätzen. Die deutsche Studie «Möbel und Nachhaltigkeit – Monitor 2016» spricht von drei Viertel der Befragten, für welche Nachhaltigkeit wichtig oder sehr wichtig sei – in Deutschland. Eine PwC Studie aus dem Jahr 2017 spricht von 73 %2 und weniger sind es in der Zwischenzeit wohl kaum ge- worden!

Splendid Research GmbHNeben einer ökologisch und sozial vertretbaren Produktionsweise und der Verwendung von natürlichen und umweltfreundlichen Materialien legen gemäss denselben Studie die Konsumenten auch Wert auf alternative Herstellungsweisen wie Up- oder Recycling, die mit Technologien wie 3D-Druck umgesetzt werden können. Bei einer Recyclingausstellung im letzten Jahr in Amsterdam wurden z.B. Sofas präsentiert, die aus jeweils 3.000 Plastiktüten hergestellt wurden. Für solch umweltfreundlichen Möbel sind viele Kunden sogar bereit, mehr zu zahlen, und zwar bis zu 40 %.

Doch wo stehen wir eigentlich bezüglich Nachhaltigkeit im Möbelhandel? Ich beobachte seit geraumer Zeit eine fast schon disruptive Veränderung auf dem Markt im Umgang mit der Nachhaltigkeit. Die technische Betrachtungsweise, mit Zertifikaten dargelegt, wird immer stärker in den Hintergrund gedrängt. Im Vordergrund steht neu der individuelle Impact des einzelnen Konsumenten. Was bedeutet es, wenn ich als Konsument dieses Produkt kaufe? Wieviel gebrauchte PET Flaschen beispielsweise wurden ganz konkret für einen einzelnen Kunststoffstuhl verarbeitet?

Diese Art der Ansprache geht einher mit einem neuen Bewusstsein, die zu ganzen Bewegungen geworden sind. #becausethereisnoplanetB und «Greta Thunberg“ sind regelrechte Jugendbewegungen, mit wöchentlichen Demonstrationen weltweit. Unzählige Blog existieren zum Thema, mit riesigen Leserschaften, und wenn man beobachtet wie stark angegriffen sich viele durch das 16jährige Mädchen fühlen, so hat sie zweifelsfrei einen wunden Punkt getroffen. Auch wenn 70 Prozent der 15- bis 25-Jährigen in der deutschsprachigen Schweiz finden, es sei gut oder super, dass Junge auf die Strasse gehen, um für eine andere Klimapolitik zu demonstrieren und für 47 Prozent der Altersgruppe die schwedische Streikaktivistin ein Vorbild ist, so ist doch eine alternative Lebensweise (wie in den 70er Jahre) noch nicht entstanden. Junge Deutschschweizer sind jedoch mehrheitlich der Meinung, dass Forschung und nachhaltige Technologie gefördert werden sollten. Ebenso unterstützen sie staatliche Subventionen für klimafreundliche Investitionen (z.B. Solaranlagen). Etwas kritischer ist die Einstellung der Jungen im Vergleich zu älteren Deutschschweizern, wenn es um Konsumeinschränkungen wie beispielsweise Preiserhöhungen geht. Man beachte aber trotzdem das Niveau: Deutlich über 50 % aller Befragten sind für höhere Preise zu Gunsten der Umwelt bis hin zu Verboten (durchschnittlich 35 % der Befragten)!

Die Zustimmung zum Thema ist also gross, doch sobald es einem ganz persönlich betrifft verändert sich das Verhalten. Die politische Gesinnung geht nicht mit dem Konsumentenverhalten einher, noch! Ich bin überzeugt, dass es eine Frage der Zeit ist, bis sich das drastisch ändert. Gut möglich das der Gesetzgeber hierzu auch seinen Beitrag leisten und Nachhaltigkeit zu einem gewissen Grad verordnen wird.

Wie sehen denn die geeigneten Lösungen aus, um erfolgreich Möbel im Kontext der Nachhaltigkeit zu ver- kaufen?

Qualitätssiegel Möbel1. Die Basis muss stimmen, und die ist nach wie vor technischer Art. D.h. Vergrösserung des Sortimentsanteils, der zertifiziert ist.
2. 
Differenzierung über direkte Ansprache (vgl. Seite 3) und neue Ansätze schaffen. Hierzu eignet sich der Green Design Ansatz in der Produkt- entwicklung oder Cradle-to-Cradle, Upcycling oder Zero-Waste, etc.
3. Überraschen Sie den Kunden indem Sie die Wertschöpfungskette offenlegen und zeigen, wie nachhaltig sie wirklich arbeiten. H&M macht dies und gibt sogar die Adresse der Fabrik in Bangladesch an, in welcher das T-Shirt produziert wurde.

 

Das alles nützt aber reichlich wenig, wenn nicht offensiv kommuniziert und der Kunde direkt auf seinen Impact angesprochen wird. Mir gefallen diesbezüglich zwei junge Labels:

Das spanische Kleiderlabel Ecoalf, welches 2009 von Javier Goyeneche gegründet wurde. Dieses versteht es hervorragend, den Kunden direkt, persönlich und positiv anzusprechen. Dies gelingt aufgrund eines weitreichenden, bodenständigen Commitment des Unternehmens und des Managements.

Eher aufschreckend tritt das aus Hong-Kong stammende Label Ooobject auf und zeigt dem Kunden die Umwelt-Problemstellung zu jedem Produkt auf.

Furniture

Fazit: Verabschieden Sie sich vom Glauben, mit Zertifikaten alleine lässt sich Nachhaltigkeitsmarketing betreiben. Gehen sie weiter, berühren Sie den Kunden, und seien sie ehrlich, transparent und konsequent. Dann, da bin ich überzeugt, wird die Nachhaltigkeit langfristig zu einer wahren Alternative zur Preisdifferenzierungsstrategie.

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